Den meisten Jugendlichen gelingen die Navigation durch das primäre und sekundäre Bildungssystem und der Übergang zur höheren Bildung, Berufsbildung oder in den Arbeitsmarkt. Allerdings zeigt der Indikator „Schulabbrecher in der allgemeinen und beruflichen Bildung“[1] aus dem Jahr 2013, dass 11,9 % aller jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren in der EU ihre allgemeine und berufliche Bildung mit dem untersten Abschluss der Sekundarschule oder sogar ohne Abschluss beendet haben[2]. Bei der Schulabbrecherquote gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und auch zwischen einzelnen Regionen. Die Reduzierung der Schulabbrecherquote ist eines der Kernziele der Strategie Europa 2020, genauer gesagt soll der Anteil junger Menschen, die vorzeitig die allgemeine und schulische Bildung beenden, unter 10 % gesenkt werden.
Die Senkung der Schulabbrecherquote verbessert die Effizienz des Bildungssystems, ist jedoch auch sehr wichtig, um im Sinne des strategischen Rahmens ET2020 die soziale Gerechtigkeit zu fördern. Der vorzeitige Schulabgang zeigt beispielhaft, wie das Bildungssystem den Kreislauf der Benachteiligung verfestigen oder durchbrechen kann: jungen Menschen aus benachteiligten Gruppen oder mit speziellen pädagogischen Bedürfnissen sind bei den Schulabbrechern überrepräsentiert, die wiederum im späteren Leben stärker von Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind[3].
Die Entscheidung, das erste Bildungssystem zu verlassen, wird zum einen dann getroffen, wenn eine weiterführende Bildung nicht möglich oder nicht attraktiv erscheint und der Arbeitsmarkt reizvollere Alternativen bietet[4][5]. Aber auch die kumulativen negativen Erfahrungen eines langen Leidenswegs in der Primar- und Sekundarschule können zu diesem Entschluss beitragen[3]. Daher betrifft das Problem des vorzeitigen Schulabgangs jedes Merkmal des Bildungssystems, dass die Qualität und Chancengleichheit der Bildungsbahnen bis zum Ende der Sekundarstufe beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel[6]: Häufigkeit und Abruptheit von Übergängen, Gruppierung von Schülern, ungleicher und/oder eingeschränkter Zugang zu Unterstützungs- und Beratungsangeboten und unzureichender Ausbau der Systeme der frühkindlichen Bildung und Betreuung und der Lehrerausbildung.
Die Gefahr des vorzeitigen Schulabbruchs wird von einer Vielzahl von Faktoren erhöht, die sich außerdem gegenseitig verstärken. Daher erfordert die Lösung dieses Problems eine umfassende und breit gefächerte politische Strategie. Die Empfehlungen des Rates für politische Strategien zur Senkung der Schulabbrecherquote (2001)[7] haben betont, wie wichtig es ist, eine umfassende Bildungsstrategie gegen Schulabbruch zu entwickeln, die alle Kinder erreicht, insbesondere besonders gefährdete Gruppen (Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen, Kinder mit Migrationshintergrund oder aus Roma-Gemeinschaften oder Kinder, die sonderpädagogische Förderung bedürfen). Wirksame Maßnahmen gegen den vorzeitigen Schulabgang sind auf allen Bildungsstufen notwendig und sollten Elemente der Prävention, Intervention und Kompensation umfassen. Da die Schulabbrecherquote auch innerhalb der Bildungssysteme der einzelnen EU-Mitgliedstaaten stark schwankt, müssen die jeweiligen Maßnahmen an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden[8]. Dabei können lokale Strategien gegen den Schulabbruch nur Erfolg haben, wenn sie bereichsübergreifend sind und das Bildungssystem, die Arbeitgeber, die Arbeitsvermittlungsstellen und die Sozialdienste vor Ort einbeziehen. Durch eine derartige Kooperation kann ein Frühwarnsystem eingerichtet werden, das individuelle Präventions- und Interventionsmaßnahmen auslöst. Auch der Ausgleich eines vorzeitigen Schulabbruchs durch flexible alternative Bildungswege, in denen die Qualifikationen nachgeholt werden können, die für den Zugang zu höherer Bildung oder Beschäftigung notwendig sind, erfordert eine vertikale Koordination[9].